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KiTa-Trä­ger als Wirt­schafts­ver­ein? Wann Ver­ei­nen Löschung droht

WirtschaftsvereinIn den ver­gan­ge­nen Jah­ren stand der zivil­recht­li­che Sta­tus von Ver­ei­nen, die Kin­der­gär­ten betrei­ben, erstaun­lich oft auf gericht­li­chem Prüf­stand. Hin­ter­grund ist eine gene­rel­le The­ma­tik, die nicht nur Ver­ei­ne, die Trä­ger von Kin­der­gär­ten sind, betrifft, son­dern alle grö­ße­ren Ver­ei­ne. Es geht um die Abgren­zung des Anwen­dungs­be­reichs von § 21 BGB (Ide­al­ver­ein) zu dem von § 22 BGB (Wirt­schafts­ver­ein) sowie die Fra­ge nach der Berück­sich­ti­gung des Steu­er- und Gemein­nüt­zig­keits­rechts im Zuge die­ser Abgrenzungsauslegung.

Zwei aktu­el­le Ent­schei­dun­gen des Kam­mer­ge­richts Ber­lin (KG Ber­lin, 16.02.2016, Az. 22 W 71/15 und KG Ber­lin, 16.02.2016, Az. 22 W 88/14) füh­ren nun zu einer neu­en Spit­ze auf der Eska­la­ti­ons­ska­la. Ent­schie­den wur­de über die Recht­mä­ßig­keit der Zwangs­lö­schung zwei­er seit über 40 Jah­ren im Ver­eins­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­nen KiTa-Trä­ger, die über­dies von der Finanz­ver­wal­tung als gemein­nüt­zig im Sin­ne von §§ 51 AO aner­kannt waren.

Das Kam­mer­ge­richt argu­men­tiert, dass die Ver­ei­ne auf­grund ihres Auf­tre­tens am Markt in Kon­kur­renz zu ande­ren Anbie­tern wirt­schaft­lich tätig im Sin­ne von § 22 BGB sei­en. Das Han­deln sei auch nicht von dem den §§ 21 und 22 BGB zugrun­de lie­gen­den Neben­zweck­pri­vi­leg gedeckt, weil sich die ideel­le Tätig­keit der Erzie­hungs­ar­beit nicht erkenn­bar der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit unter­ord­ne. Es han­de­le sich des­halb um Wirt­schafts­ver­ei­ne. Das erge­be die vor­zu­neh­men­de Ein­zel­fall­be­trach­tung, wobei unter ande­rem fol­gen­de Aspek­te eine gewich­ti­ge­re Berück­sich­ti­gung fanden:

  • nur weni­ge Mitglieder
  • Betrieb von meh­re­ren Ein­rich­tun­gen und Betreu­ung von eini­gen hun­dert Kindern
  • Eltern der betreu­ten Kin­der sind mehr­heit­lich nicht Vereinsmitglieder
  • gro­ßer Orga­ni­sa­ti­ons­ap­pa­rat für die Koor­di­nie­rung und Verwaltung
  • sozia­le Ziel­set­zung und/oder Aner­ken­nung als gemein­nüt­zig durch das Finanz­amt genü­ge nicht

Fol­ge war die Löschung der Ver­ei­ne aus dem Ver­eins­re­gis­ter, wobei das Gericht das Bestands­in­ter­es­se der Ver­ei­ne hin­ter dem öffent­li­chen Inter­es­se an der Berei­ni­gung des Regis­ters und den Schutz des Rechts­ver­kehrs vor Fehl­in­for­ma­ti­on zurück­tre­ten ließ.

Über die ent­ge­gen­ste­hen­den Ent­schei­dun­gen meh­re­rer Ober­lan­des­ge­richt (OLG Schles­wig-Hol­stein, 18.09.2012, Az. 2 W 152/11; OLG Stutt­gart, 03.12.2014, Az. 8 W 447/14; OLG Bran­den­burg, 23.06.2015, Az. 7 W 23/14) ging das Gericht hin­weg und ließ die Revi­si­on zum Bun­des­ge­richts­hof zu.


Anmer­kung RA Dr. Leu zu die­sen Entscheidungen:

Misst man die Tätig­keit von gemein­nüt­zi­gen Ver­ei­nen aus ande­ren Berei­chen an den vor­ste­hen­den Kri­te­ri­en, wird schnell klar, wor­in die erheb­li­che Bri­sanz der Ent­schei­dun­gen des KG Ber­lin liegt. Vie­le Ver­ei­ne ver­fü­gen — gemes­sen an ihrer Mit­glie­der­zahl — über ein hohes ope­ra­ti­ves Gewicht mit ent­spre­chen­den Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren. Die Mit­glie­der sol­cher Trä­ger sind übli­cher­wei­se nicht durch die Ver­eins­tä­tig­keit mit­tel­bar oder gar unmit­tel­bar begüns­tigt. Denn das wider­sprä­che selbst­lo­sem Han­deln und stün­de der gemein­nüt­zi­gen Aner­ken­nung nach § 55 AO ent­ge­gen. All die­se Ver­ei­nen wer­den die anste­hen­de Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs mit Span­nung ver­fol­gen oder sich zeit­nah neu struk­tu­rie­ren (etwa durch Aus­la­ge­rung des ope­ra­ti­ven Geschäfts­be­triebs des Ver­eins auf eine zu grün­den­de Tochter-gGmbH).

Die Erwä­gun­gen von Ver­eins-Ent­schei­dungs­trä­gern, Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men in die­sem Sinn in die Wege zu lei­ten, wer­den durch die in der Ent­schei­dung nicht ange­spro­che­nen Kon­se­quen­zen einer Amts­lö­schung beein­flusst wer­den. So hört ein Ver­ein durch Löschung nicht nur auf recht­lich zu exis­tie­ren, son­dern es kommt auch zivil- und steu­er­recht­lich zum Ver­mö­gens­heim­fall. Damit wird dem Trä­ger für den lau­fen­den Ver­an­la­gungs­zeit­raum die gemein­nüt­zi­ge Aner­ken­nung vom Finanz­amt abge­spro­chen, was zur Rück­for­de­rung der im bis­he­ri­gen Zeit­raum auf­grund des gemein­nüt­zi­gen Sta­tus erlang­ten Steu­er­vor­tei­le ein­schließ­lich Spen­den­vor­tei­le führt. Ist der Ver­ein zur Rück­zah­lung nicht in der Lage, haf­tet der Ver­eins­vor­stand persönlich.

Aber nicht nur die­se gra­vie­ren­den Kon­se­quen­zen las­sen die Ent­schei­dun­gen zwei­fel­haft erschei­nen. War­um das Steu­er­recht bei der Aus­le­gung der zivil­recht­li­chen Bestim­mun­gen kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den soll (hier die §§ 51 ff. AO bei der Aus­le­gung des Neben­zweck­pri­vi­legs im Sin­ne von §§ 21, 22 BGB), leuch­tet eben­falls nicht ein. Das geset­zes­über­grei­fend sys­te­ma­ti­sche Ver­ständ­nis ist eine aner­kann­te Aus­le­gungs­me­tho­de, die man bei der Urteils­be­grün­dung nicht ein­fach außer Acht las­sen kann. Das gilt erst recht bei weit­rei­chen­den Ent­schei­dun­gen wie dieser.